Schmerzen ganzheitlich behandeln

Neues Buch im Springer-Verlag stellt erstmals 30 komplementäre Therapiemethoden vor!

Schmerzen sind Teil des Lebens eines jeden Menschen. Jedoch haben sie verschiedene Ursachen und werden ganz unterschiedlich erlebt. Ebenso vielfältig sind heute die Ansätze der Schmerztherapie. Schmerzen zu lindern gelingt vor allem dann, wenn neben den biologischen auch psychische, soziale und spirituelle Faktoren Beachtung finden. Dazu braucht es eine ganzheitliche Sicht und breite interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Das kürzlich im Springer Verlag erschienene Buch „Nichtmedikamentöse Schmerztherapie. Komplementäre Methoden in der Praxis“ gibt erstmals umfassend Einblick in die Fülle der komplementären Schmerztherapien, die heute neben der klassischen Schulmedizin und ergänzend dazu zunehmend eingesetzt werden.

„Nach komplementären Schmerztherapien fragen vor allem Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden“, sagt Günther Bernatzky, Humanbiologe und Schmerzforscher an der Universität Salzburg. Er hat den Band gemeinsam mit den Schmerzmedizinern Rudolf Likar und Michael Ausserwinkler (beide Klagenfurt), Reinhard Sittl (Erlangen), und dem praktischen Arzt Gerhard Wenzel (Schwarzach/Pongau), sowie dem Psychologen Franz Wendtner (Salzburg) herausgegeben. „Für diese Leidenden bietet unser Buch, das sich sowohl an Mediziner, Pflegepersonal und VertreterInnen der verschiedenen therapeutischen Richtungen wie eben auch an betroffene PatientInnen, deren Angehörige und BetreuerInnen wendet, etwas ganz Neues“, betont Bernatzky. „In 40 Fachartikeln wird von 50 FachautorInnen – Ärzten, Komplementärmedizinern, Biologen und Psychologen, Psycho-, Physio- und Musiktherapeuten, Akupunktur-, Ayurveda- und TCM-Fachkräften, Pflegepersonen und spirituellen Begleitern - ein Überblick über gegenwärtig bereits in der Praxis erprobte traditionelle und komplementäre Methoden der Schmerzbehandlung gegeben. Das macht es möglich, Vergleiche zu ziehen zwischen zum Teil uralten Heilweisen und ganz neuen Verfahren zur Schmerzlinderung.“

Zunächst gibt das Buch kurzen Einblick in die Geschichte der Schmerztherapie sowie in den aktuellen Stand der Forschung und medizinischen Praxis im Bereich Schmerzentstehung und –messung. Dann werden mehr als 30 weitere Verfahren zur Schmerzbehandlung mit ihren Anwendungsweisen und Wirkungen vorgestellt. Wie sich zeigt, werden komplexe Methoden der Gesunderhaltung wie die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Qigong, ANMO-Massage, Akupunktur, Ayurveda, aber auch Phytotherapie und Kneippanwendungen immer öfter in die moderne Schmerzmedizin integriert, besonders wenn diese nicht nur einzelne Schmerzpunkte, sondern den schmerzgeplagten Menschen als Ganzes mit seinen Beziehungen zur Umwelt und seiner Spiritualität in den Blick nimmt.

In einem Artikel über Placebos wird von den beiden Autoren Rudolf Likar und Günther Bernatzky dargestellt, dass die Placebowirkung nicht - wie fälschlich oft behauptet wird - eine rein psychologische sei, sondern dass deren Wirkung mit einer Dopamin- und einer Endorphinausschüttung einhergehe. Das stellt daher die Grundlage für eine Wirkungsverbesserung in einer Schmerztherapie, in der zusätzlich die Erwartungshaltung an die Schmerzlinderung gestärkt wird, dar.

Mehrere Beiträge befassen sich damit, wie Musik bei Schmerzen helfen kann. So sind heute die Erfolge von aktiver und rezeptiver Musiktherapie wissenschaftlich belegt und es gibt auch praktische Angebote, die die PatientInnen selbst nützen können. So wurde in Salzburg eine Musik-CD mit Entspannungsanleitung entwickelt und die Wirkung in mehreren Studien getestet. Näheres ist im Beitrag von Günther Bernatzky und einem vierköpfigen Team bestehend aus Schmerzforschern, einem Psychologen und einem Musikwissenschafter, nachzulesen.

Wie mithilfe der „Klangwiege“ chronische Schmerzen gelindert werden oder wie die heute wieder praktizierte „Altorientalische Musiktherapie“ helfen kann, ist in dem Buch ebenso beschrieben wie Ayahuasca, der „Pfad südamerikanischer Schamanen zur Heilung und Auflösung von Schmerzen“, dem der Zahn- und Allgemeinmediziner Christian Kobau (Klagenfurt) seinen Beitrag widmet. Wie die bei Sportlern erfolgreich angewandten Methoden des Mentaltrainings bestimmten Gruppen von SchmerzpatientInnen nützen können, zeigt ein gemeinsamer Beitrag der Sportpsychologen Patrick Bernatzky, Günter Amesberger (beide Salzburg) und Wolfgang Knörzer (Heidelberg) sowie von Günther Bernatzky.

Mehrere Beiträge machen deutlich, was Hypnose und verschiedene psychologische und psychotherapeutische Verfahren bei der Behandlung von akuten und chronischen Schmerzen leisten können. Dabei wie auch bei vielen anderen nichtmedikamentösen Therapiemethoden ist die Erhöhung der Selbstwirksamkeit der PatientInnen bei der Bewältigung von Schmerzen ein wichtiges Ziel. Doch diese (Selbst)Wirksamkeit hat Grenzen, das müssen oft auch jene erkennen, die SchmerzpatientInnen medizinisch und pflegerisch betreuen.

Ein Mittel, diesen Grenzen zu begegnen ist ein von Herzenswärme, Verständnis und Einfühlungsvermögen getragener Humor, so schreibt Inge Patsch (Axams, Tirol) in ihrem Beitrag „Humor trotz(t) Schmerzen“. Die Kunst sich auf den anderen einzulassen, ihn einfühlsam zu beobachten, mit ihm mitzufühlen und eine gemeinsame Verständigungsebene herzustellen ist besonders gefragt, wenn es darum geht den alles umfassenden Lebensschmerz hochbetagter Demenzkranker durch „Total soothing“ zu lindern. Gerade diese Menschen leiden an vielen – oft unerkannten - körperlichen, seelischen, sozialen und spirituellen Schmerzen und dies umso mehr je schwächer Geist und Körper werden, so berichten Marina Kojer, Martina Schmidl und Ursula Gutenthaler (alle Wien) in ihrem Beitrag. „Total soothing“ ist das Beispiel für eine ganzheitliche interdisziplinäre Schmerztherapie, die - fachliche -„Kompetenz und Kunst“ - der Mit-Menschlichkeit, der Kommunikation und Intuition - eng miteinander verbindet.

Auch zwischen der medizinischen und pflegerischen Kompetenz, welche alle heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Schmerztherapie zu nützen versteht, und der spirituellen Begleitung der PatientInnen sollte es eine enge Verbindung geben, so schreibt Michael Peintinger (Wien) im Beitrag „Glaube, Hoffnung und Schmerz“. Nur dann kann Glaube bei der Schmerz- und Leidensbewältigung echte Hilfe leisten. Diese kommt sowohl den PatientInnen zugute wie auch jenen, die sie betreuen.

Breiter Raum wird in dem Band der Schmerzbehandlung durch moderne Methoden der physikalischen oder der Phytomedizin eingeräumt. So beschreibt der Sportmediziner und Biologe Anton Wicker (Salzburg), welche Wirkung physikalische Interventionen wie beispielsweise Lymphdrainage oder Fußreflexzonenmassage, Wärme- und Kältetherapie, Manuelle Medizin und Osteopathie, verschiedene Formen der Elektrotherapie oder Hydrotherapie zur Schmerzlinderung ausüben können. Auch verschiedene Formen von Bewegungstherapie können Schmerzen vermindern. Das zeigen Beiträge zur Feldenkrais-Methode (Martina Wittels, Klagenfurt), zur Kneipp-Therapie (Robert M. Bachmann, Bad Wörishofen) oder zum Einsatz von Qigong (Franz Wendtner, Salzburg).

Wie die „klassische“ Phytotherapie gegen Schmerzen helfen kann, zeigen Reinhard Länger(St. Pölten) und Erich Mur (Innsbruck). Ob Muskel- oder Zahnschmerzen, Rheuma oder Migräne – in den meisten Fällen ist dagegen ein Kraut gewachsen. Gerade dieser Beitrag macht deutlich, wie altes und neues Heilwissen im Dienste der schmerzgeplagten Menschen zusammenfließen können. So wird ein Hauptziel des Buches erfüllt, über die Disziplinen hinweg gemeinsam bessere Hilfe für Leidende zu ermöglichen.

Dies geschieht durch Bereitstellung von Informationen über möglichst viele alte und neue bereits in der Praxis erprobte Schmerzbehandlungsmethoden. Dazu zählen, um noch einige Beispiele der in dem Buch vorgestellten Verfahren zu nennen, auch die Kinesiologie (Gabriele Lehner-Kampl, Kärnten), die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (Bertram Disselhoff, Wetzlar, Deutschland) sowie die Bio-Elektro-Magnetische-Energie-Regulation, die mit Grundlagen und neuesten Forschungsergebnissen einen modernen Standpunkt der Methode zeigt (Wolf Kafka, Kottgeisering, Deutschland). Zu nennen ist auch die die gesundheitsfördernde Wirkung von Nahrungsinhaltsstoffen bzw.-ergänzungsmitteln, die Werner Kulich (Saalfelden) beschreibt, die Aromatherapie, über die Wolfgang und Michaela Steflitsch (beide Wien) berichten oder auch die Schmerzbehandlung mit Radon im Rahmen der Gasteiner Thermal-Heilstollentherapie, die Gudrun Lind-Albrecht (Bad Gastein) vorstellt.

Wie die Herausgeber des neuen Buches im Vorwort betonen, ist zu erwarten und auch zu hoffen, dass schon bald neue Erkenntnisse die Möglichkeiten der medikamentösen wie auch der nichtmedikamentösen Schmerztherapie noch weiter verbessern und enger miteinander verbinden werden. So gesehen ist das Buch nicht abgeschlossen, sondern steht am Beginn einer neuen Entwicklung.

Ähnliches spricht der Wiener Schmerzmediziner Wilfried Ilias in seinem Nachwort aus. Er sieht darin ein weiteres wesentliches Ziel des Buches erfüllt: Fachleute verschiedener Disziplinen stellen hier die vielfältigen Möglichkeiten von Schmerztherapie aus ihrer eigenen Sicht dar. Das Buch sollte, so wünscht sich Ilias, sie alle auch „dazu anhalten, über den eigenen fachlichen Horizont hinauszuschauen und die Expertise anderer Fachleute unvoreingenommen zu nutzen“.

Pressetext: Heide Gottas
e-mail: h.gottas@tele2.at


Nichtmedikamentöse Schmerztherapie Komplementäre Methoden in der Praxis
Bernatzky, G.; Likar, R.; Wendtner, F.; Wenzel, G.; Ausserwinkler, M.; Sittl, R. (Hrsg.)
Springer Berlin Heidelberg New York, 2007, XIX, 525 S., 61 illus., Geb., Ladenpreis 68,00 Euro; Umschlag: Aquarell Karin Bernatzky-Anrather
ISBN: 978-3-211-33547-5


Weitere Informationen: Univ.Prof. Günther Bernatzky, Universität Salzburg, Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg, Tel.: 0043 662 8044-5627, e-mail: guenther.bernatzky@sbg.ac.at .